ROSEN & GOMORRHA

DIE BESTEN VON DEN LETZTEN

SONNTAG, 18. APRIL 2004

Einlass: 19.00 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr

KULTURORT ALTE MOLKEREI

Duo oder Sextett? Band oder Filmprojekt? Kleinkunst oder Rock?

Rosen & Gomorrha ist eine neue Band, die den ganz großen Wurf wagt – und gewinnt.

Berühmte letzte Worte: „Eigentlich wollten wir nur eine normale CD machen.“ Über so einen Satz kann Martin Meinschäfer heute nur lachen. Denn was aus der Idee zweier befreundeter Musiker letztlich geworden ist, sprengt sämtliche Genres. Doch der Reihe nach. Da spielt der Arnsberger Musiker und Produzent Martin Meinschäfer (Rock und Pantomime mit Hob Goblin, Hitproduzent von „Eine Insel mit zwei Bergen“, Produzent von Obel und vielen anderen) seinem Kumpel Toett (Reggae mit Natty U, Mitglied des Voodooclub) einige Demos vor, die im Laufe der Zeit im eigenen Studio entstanden sind. Die Songs gefallen, doch nur mit Programmieren wird das nichts: eine Band muss her!

Martin wälzt alte Adressbücher und lädt Musiker ein, die zur Creme der deutschen Tour- und Studioszene gehören: Joo Kraus kommt von Tab Two und bringt seine unverwechselbare Trompete mit. Zum Dunstkreis um De-Phazz und Sydney Youngblood gehört Mattel Dörsam mit seinem atmosphärischen Saxophon. Drummer Ralf Gustke ist sonst mit Xavier, Nena und Gianna unterwegs, und Kontrabassist Willy Wagner zupfte für Rio Reiser und die 3P-Band. In nur zwei Tagen spielen diese Musiker, die sich zwar kennen, aber nie zuvor zusammen in einem Raum gespielt haben, 19 ungeheure Stücke ein.

Martins Texte bilden den roten Faden der Rosen & Gomorrha-Songs: „Es ist eine Reise durch das zubetonierte Gefühlsuniversum“, sagt der Dichter grinsend dazu. Man könnte ergänzen: Es sind Männerlieder über verlorene Frauen („Mary“), letzte Biere, Blutsbrüder und das Musikerleben auf der Straße. In „Dankeschön“ geht es um einen üblen Schnorrer, dem zuliebe man selbst New Age-Meditationen mitmacht. Gegen diesen Song hat übrigens das BKA höchstselbst protestiert – mit dem Ergebnis, dass es eine feste Hymne auf HR3 wurde. Das kommt davon. Rosen & Gomorrha vermissen die „Heimat“ und zeigen schlechten Menschen den Finger. Doch auch der „Pferdefuss“ des Teufels und die Klaustrophobie im Fahrstuhl werden besungen, und wann hat sich eigentlich jemals jemand Gedanken über den Zustand der Autobahn nach Kassel gemacht?

Das Ganze atmet Selbstironie („Die Besten“) und präsentiert reichlich gute Bilder und Beobachtungen. Musikalisch ist die ganze Bandbreite vertreten: gemütlich groovender Reggae mit dem „I Shot The Sheriff“-Riff in „Lebenslang“; perlender Big Band-Swing mit Bert-Kaempfert-Zitat in „Dankeschön“. Elegante Balladen, aufmüpfiger Ska, rockige Soli – die Band kann alles, selbst die kaputte Melancholie eines Tom Waits.

„Eigentlich wollten wir nur eine normale CD machen“ … wenn nicht Martins Bruder, ein Fotograf, während der Aufnahmen dringend darauf bestanden hätte, das Ganze auch live zu spielen. Nein, live geht nicht. Diese Musiker bekommt man doch nie für eine Tour unter einen Hut. Na, dann filmen wir das eben! Und so kam es, dass ein Fotograf, der noch nie eine Filmkamera bedient hatte, eine Band filmte, die nur kurze zwei Tage zusammen spielte. Und dass man collagenartig Bilder in die Liveaufnahmen schnitt. Halsüberkopf mit 40 Komparsen einen Großaufzug im Krankenhaus enterte und dort einige Szenen drehte. Oder im Dortmunder Theaterfundus aufkreuzte und mal eben ein Dutzend Leute einkleidete. „Jazz“, sagt Martin Meinschäfer, „das war purer Jazz. Improvisiert, aus der Not heraus geboren, ohne Drehbuch, ganz spontan. Und das hat geklappt.“

Und wie das klappt! Rosen & Gomorrha bestreiten nämlich ihre außergewöhnliche Live-Show mit eben diesem Filmmaterial, und das kann man keinem erklären, der es nicht selbst gesehen hat: Stellen Sie sich vor, da stehen zwei Musiker auf der Bühne, aber es sind eigentlich sechs. Die Grenzen verwischen zwischen Duo und Sextett, Band und Kino, Kleinkunst und Rock. Das Rezept für diese vollkommen neuartige Show-Art geht so: Martin und Toett stehen auf der Bühne, und die restlichen vier Bandmitglieder werden per Film zugeschaltet. Ralf Gustke wirbelt die Sticks, Willy Wagner zupft den Kontrabass, Joo Kraus versenkt sich in seine Trompete, und Mattel Dörsam saxt die gewisse Atmo herbei. Da spielen tatsächlich sechs Vollblut-Musikanten live zum Boogie auf, davon ist das Publikum nach kurzer Irritation überzeugt. Und Zeit für Slapstick bleibt auch, wenn etwa ein „Echter“ auf der Bühne seinem virtuellen Kollegen im Film ein Bier reicht.

Das funktioniert auf Kleinkunstbühnen wie im Rockschuppen, und überall klappen den Leuten vor Staunen die Kinnladen herunter: Wie machen die das bloß?! Teuflisches Timing, Spielwitz, eine ausgeklügelte Choreographie und viel Erfahrung gehören dazu – live zu erleben auf der umfangreichen Rosen & Gomorrha-Tour in der ersten Jahreshälfte 2004, natürlich bundesweit und sicher auch bei Ihnen vor der Haustür.

Das ganze Kino der Gefühle auf einer einzigen CD: Rosen & Gomorrha ist mit „Die Besten von den Letzten“ ein fulminantes Debüt gelungen.